Bereits vor dem offiziellen Release durften wir die Fitbit Ionic Smartwatch ausgiebig testen.
Seit Jahren ist der Hype um sog. Smartwatches ungebrochen, obwohl selbst große Marken wie Apple oder Samsung konnten der Produktkategorie noch nicht wirklich zum Durchbruch verhelfen. Auch im Sportbereich haben es viele Modelle noch schwer und müssen sich neben den klassischen Lauf- und Sportuhren auch noch mit ihren kleinen Brüdern, den Fitnessarmbändern bzw. Activity Trackern, messen. Genau hier setzt auch die neue Fitbit Ionic an, welche die erste wirkliche Smartwatch des US-amerikanischen Unternehmens ist. Denn durch die Übernahme von Pebble im vergangenen Jahr war es wohl nur eine Frage der Zeit bis die Expertise und Technologie des Start-Ups genutzt werden würde.
Persönlich war ich bis dato kein großer Freund von Smartwatches. Wieso? Weil ich einfach den “Use Case” für meinen Alltag noch nicht erkannt habe. Eigentlich trage ich sehr gerne Uhr, diese sollte aber zum Outfit passen und relativ schlicht sein. Dabei ist es mir fast egal, welche Marke auf dem Ziffernblatt steht, der Gesamtlook sollte passen. Ich bin nicht der Typ, welcher seine XXL-Sportuhr auch im Büro trägt. Einerseits sind meine Arme dafür einfach zu dünn und andererseits muss ich nicht jedem direkt auf die Nase binden, dass ich vielleicht in meiner Freizeit Sport treibe.
Außerdem war mir bis dato der inhaltliche Mehrwehr einer solchen Uhr nicht wirklich klar. Miese Akkulaufzeit, eine ziemlich empfindliche Technologie und kein echter Mehrwert – und das meist für einen horrenden Preis. Hatte ich es hin und wieder mit Fitnessarmbändern probiert, landeten diese meist nach 2-3 Monaten ungenutzt in der Schublade. Denn einen echten Nutzen konnte ich einfach nicht erkennen – meist war die Nutzung eher mit zusätzlichen Hürden versehen.
Doch vielleicht ist die Ionic anders?
Look & Feel:
Die Uhr wirkt sehr schlicht. Trotz all der Technologie (dazu unten später mehr) wirkt die Uhr noch relativ schmal und wirkt von den Dimensionen eher normal. Kein XXL-Uhrwerk wie bekannte Laufmarken, aber natürlich auch keine elegante Nixon. Die Ionic liegt wohl irgendwo dazwischen ohne aber negativ aufzufallen. Durch austauschbare Bänder kann man die Smartwatch noch nach dem individuellen Geschmack anpassen und von sportiv bis elegant das Erscheinungsbild ändern.
Das Case besteht größtenteils aus einem Touchdisplay, welches sich aus allen Winkeln extrem gut ablesen lässt. Selbst bei Sonneneinstrahlung kann man die Werte und Icons noch perfekt erkennen. Bedient wird die Uhr neben der Touchfunktion noch über drei Tasten an der Seite – eine große Taste links und zwei kleinere rechts. Hier kann man z.B. das Training starten und beenden oder zurück ins vorherige Menü hüpfen.
All in ist der erste Eindruck eher an eine klassische, analoge Uhr als an eine Sportuhr angelehnt. Mein Geschmack ist damit getroffen, ob es bei der Sportcommunity aber genauso ankommt ist offen.
Features:
Fitbit verspricht mit der Ionic eine Smartwatch für (fast) alle Lebenslagen. Sie misst im Alltag die gängigen Werte, wie z.B. die Anzahl der Schritte, verbrauchte Kalorien oder den Puls (über einen optischen Sensor auf der Rückseite der Uhr). Daneben wird auch die Schlafphase sowie das tägliche Ausmaß der Bewegung und Aktivität gemessen. Kombiniert mit der entsprechenden App, in welcher man z.B. sein Essen eintragen kann, ergibt sich so ein fast vollständiges Fitbit Universum für den aktiven Alltagshelden.
Doch neben den Standardfunktionen verspricht die Ionic auch eine Reihe weiterer, innovativer Features. So ist die Uhr z.b. NFC fähig und wird im Laufe des kommendes Jahres auch bei uns in Verknüpfung mit einem Konto als Payment Device fungieren. Ebenfalls neu ist der eingebaute Fitnesscoach, welcher nicht nur einfach Daten sammelt und als Ergebnis ausgibt (z.B. die Werte eines Abendlaufes), sondern neben dem eigenen Fitnessprogramm auch Tipps auf Basis des aktuellen Sportprogramms gibt. Wenn man also extrem viel läuft schlägt der “Coach” z.B. ein Training zur Core Stabilität vor.
Außerdem basiert die Uhr auf einem eigenen Betriebssystem, welches komplett geöffnet wurde. So wird es neben offiziellen App-Partnerschaften, wie z.B. Starbucks oder Uber, auch zeitnah eine ganze Reihe Community-Apps geben. Man darf gespannt sein, welche Ideen hier entwickelt und letztlich auch umgesetzt werden. Die Pulsmessung (Pure Pulse), eine Distanzmessung mit GPS und GLONASS, eine Batterielaufzeit von über 4 Tagen sowie eine Wasserfestigkeit bis 50m versprechen eine Menge Spaß im Sportalltag – zumindest auf dem Papier.
Der Praxistest
Um uns wirklich ein Bild der Smartwatch machen zu können, habe ich sie 2 Wochen konstant getragen. Egal ob im tristen Büroalltag, im Fitnessstudio oder beim Laufen – die Ionic war mit dabei. Doch wie hat sie sich geschlagen?
1. Akkulaufzeit
Eine Laufzeit von mind. vier Tagen ist schon eine recht klare Ansage, wenn man bedenkt, dass die meisten Laufuhren alle 1-2 Tage geladen werden müssen. Deshalb war die Skepsis natürlich von Anfang an enorm. Gerade in den ersten Tagen des Tests wurde oft an der Laufzeit gezweifelt. Doch dies war unberechtigt. Die Ionic hält dem Versprechen wirklich Stand und hält die vier Tage locker durch. Dabei wurde sie keineswegs geschont oder beim Sport abgenommen – im Gegenteil. Sie war konstant am Start und hat wirklich bewiesen, was in ihr steckt.
2. Pulsmessung
Durch die optische Messung muss man keinen Brustgurt oder ähnliches tragen. Die Uhr erkennt sofort, in welchen Bereichen der Ruhepuls liegt und wann man z.B. mit dem Rad in die Arbeit fährt (ohne vorher im Menü auf Radfahren zu klicken). Durch die Eingaben der eigenen Werte (Alter, Gewicht etc.) in der App sowie die konstante Messung wird so automatisch erkannt, wann man sich bewegt und in welchem Bereich (GA1 oder GA2). Feine Sache.
3. Laufen
Eine der wohl wichtigsten Funktionen der Uhr ist in meinen Augen das Messen des Laufes. Dabei geht es natürlich in erster Linie um Distanz und Geschwindigkeit. Fitbit verspricht durch die Nutzung von GPS (amerikanischer Standard) sowie GLONASS (Standard aus Europa & Russland) eine noch genauere Messung.
Da die GPS Funktion normal ziemlich viel Akkuleistung frisst, schaltet man sie bei anderen Laufuhren vor dem Lauf per Knopfdruck ein und kann dann sofort loslegen. Bei der Ionic funktioniert des nicht. Man muss erst in das Laufmenü gehen und dann startet die Netzsuche automatisch. Dies ist etwas ungewohnt, da es von der Norm abweicht. Darüberhinaus wird das GPS bzw. GLONASS Netz immer wieder getrennt sobald man einen Lauf beendet. Wenn man aber z.B. das Einlaufen separat vom Tempolaufen tracken will, muss man die Funktion neustarten. Leider startet dann auch die GPS Suche von vorne, was locker 30 Sekunden Wartezeit kostet. Sicherlich kein Weltuntergang aber extrem nervig, wenn man gerade mitten im Training ist. Aber vielleicht lässt sich dies ja durch ein Software Update beheben?
Die Genauigkeit der Messung habe ich gegen eine ca. 2 Jahre alte Laufuhr einer Konkurrenzmarke sowie die Nike Running App auf dem iPhone getestet. Gab es Anfangs hier noch abweichen, hat sich dies gelegt. Am Ende haben alle Messgeräte annähernd identische Werte geliefert, sodass man frei drauf loslaufen kann.
4. Weitere Features
Neben der Runningfunktion wurden u.a. auch die Optionen für “Gewichte” und “Training” ausprobiert. Hierbei wird jedoch einfach die Trainingsdauer mit dem Puls gemessen und dann in verbrannte Kalorien umgerechnet. Sicherlich eine netter Ergänzung für den 360° Blick auf den eigenen Alltag sowie das Messen des hoffentlich erreichten Kaloriendefizits.
Die Schlaffunktion habe ich bewusst nicht ausprobiert, da ich hier eine einfache Regel verfolge: Keine Elektrogeräte im Schlafzimmer. Außerdem ist es nicht wirklich bequem mit einer Uhr am Handgelenk zu schlafen..
Angepriesen wurde auch die Musik-Speicher-Funktion der Uhr. Somit kann man seine Lieblingssongs direkt auf der Uhr speichern und von dort an die Kopfhörer streamen, anstatt dies noch über das Smartphone zu erledigen. Sicherlich auch ein nettes Zusatz-Feature, es bleibt aber abzuwarten, wie sich die Speicherplatzthematik löst – denn der Speicherplatz ist eben begrenzt. Doch durch das offene Betriebssysteme können wir uns vorstellen, dass diverse Streaminganbieter auch bald direkt auf der Uhr landen.
5. Synchronisation
Synchronisiert werden alle Daten direkt an die Fitbit App auf eurem Smartphone. Dazu einfach die App laden, Profil anlegen, Bluetooth am Smartphone an und los. Die Oberfläche der App ist leicht verständlich und sehr intuitiv. Leider dauert der Datenaustausch aktuell noch etwas lange, selbst wenn man nur z.B. einen Tag synchronisieren will. Das wird sich Software-technisch aber auch noch lösen.
Doch wie hat die Uhr nun abgeschnitten? Lasst es uns so zusammenfassen:
Pros
– Schlichtes Design
– Extrem gut lesbares Display
– Sehr lange Akkulaufzeit (>4 Tage)
– Optische Pulsmessung
– Wasserfest (yes!!!)
– Interaktiver Coach
Cons
– Speicherplatz für Apps und Musik begrenzt
– Viele “Default” Sportprogramme aktuell noch ohne großen Mehrwert für uns
– GPS Signal muss sich immer wieder neu finden
Die Fitbit Ionic ist mit Sicherheit eine sehr gute Smartwatch. Sie schafft viele der bis dato nicht erfüllten Kriterien zu erfüllen und die Grenze zwischen Sport- und Alltagsuhr verschwinden zu lassen. Man merkt, dass Fitbit sehr viele Ideen wirklich umgesetzt und auf Kompromisse verzichtet hat. Auch ist die Uhr mit innovativen Funktionen, wie z.B. dem Coach, dem offenen Betriebssystem und der NFC Funktionalität bereit für die Zukunft. Es gibt aktuell wenig Uhren, welche all diesen Anforderungen gerecht wird.
Und doch hat die Ionic ihre Macken. Das macht aber nix, denn a) ist sie wirklich ganz frisch auf dem Markt und b) ist es bei jedem Produkt aus Hard- und Software eben so, dass Optimierungen erst im Laufe der Zeit kommen.
Ich die Uhr sicherlich nicht jeden Tag tragen, dann dafür haben ich meine analogen Armbanduhren einfach zu gern. Doch die Ionic hat es auf jeden Fall geschafft, das Vorurteil gegenüber Smartwatches zu widerlegen und sich einen festen Platz in meinem Alltag zu sichern.