Unser Freund Thomas Griesbeck alias JACKSCORNER war in Kanada und Norwegen unterwegs. In unserem Special nimmt er uns mit auf seine Reise, berichtet von schier unglaublichen Abenteuer und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Ehrlich und authentisch – genauso wie eine echte Reise eben sein muss.
Es ist heiß. Meine Füße glühen, obwohl gerade erst die Sonne aufgegangen ist. Dennoch fühlt es sich viel angenehmer an, auf der vertrockneten Erde zu laufen, als auf dem Asphalt daneben. Ich bin barfuß unterwegs. Das ist angenehmer und auch leichter als mit verschwitzten, schweren Schuhen zu gehen.
Ich habe vor, zu Fuß und ohne öffentliche Verkehrsmittel von Canmore nach Lake Louise zu gelangen. Ohne Nachfrage auf eine Mitfahrgelegenheit. Wenn mich jemand ein Stückchen mitnehmen möchte, gerne. Trampen ist aber erstmal nicht erlaubt. Mein Rucksack enthält eine Ausrüstung für fünf Tage, darunter Essen, Zelt, Schlafsack, Stativ und Kamera. Diesen trage ich seit meinem Start vor zwei Stunden auf dem Rücken. Wer sich die Frage stellt, wie viel so ein Rucksack wiegt, kann sich seinen überschweren Koffer für den nächsten 7-Tage Urlaub vorstellen. Mit dem Unterschied, dass man sein Gepäck nicht neben sich herzieht, sondern auf den Schultern trägt.
Jetzt kommt natürlich die Frage, wer auf so eine Idee kommt: Mein Name ist Thomas Griesbeck. Ich bin 21 Jahre jung und gelernter Mediendesigner sowie Fotograf aus Miesbach. Obwohl meine Arbeit viel Zeit vor dem Bildschirm erfordert, könnte ich mir nicht vorstellen, nur im Büro zu sitzen. Es wäre zwar leicht und entspannt, seiner Woche eine gewisse Routine zu verleihen, aber es würde mich nicht erfüllen. Ich möchte die Komfortzone verlassen – aktiv sein, etwas erleben!
Deshalb zögere ich nicht und starte Projekte, um an interessante Orte zu gelangen. Orte, mit einzigartigen Naturphänomenen und weiten Landschaften. Mir gefällt es, zu nicht gewohnten Tageszeiten an nicht gewohnten Plätzen zu sein. Wunderbare Momente abzuwarten und diese dann mit meiner Kamera einzufangen. Mit meinen Bildern möchte ich andere inspirieren. Dafür habe ich ein spezielles System konzipiert, das es mir ermöglicht, meine Vorhaben – wie z.B. den Trip durch Kanada – zu realisieren.
Die ersten 20 Kilometer liegen hinter mir, die ersten Geschichten kann man erzählen. Wie mich zum Beispiel ein netter Ranger ein paar Kilometer in den Wald und weiter in Richtung Banff brachte. Er trug einen typischen Cowboyhut, Ich denke nicht nur, weil gerade der 150. Geburtstag von Kanada ist. Typisch angezogen wie ein Polizist des Waldes und der Natur. Er hatte einen 3-Tages Bart, und einen weißen Schnauzer. Wir fuhren bis zu seinem kleinen Haus, in dem er privat wohnt. Ein Garten voller Kräuter, Schlingpflanzen und kleinen Bäumen. In der Mitte befand sich ein kleiner Steinweg direkt zu seinem Haus. Alles war ganz typisch kanadisch mit einer großen Heimatsflagge im Vordergrund. Die Hütte lag komplett abgelegen im Wald. Offensichtlich genießt der ältere Mann seine Ruhe in der Natur. Ich wurde zwar für eine Nacht in sein Haus eingeladen, weil er mein Projekt unterstützen wollte, doch leider musste ich heute noch ein paar Kilometer schaffen und schlug sein Angebot aus. Super dankbar jedoch gab ich ihm ein paar Fotos, die ich während der Fahrt gemacht hatte und eine Banane, die seit zwei Tagen an meinem Rucksack am Strang mitbaumelte. Glücklich verabschiedeten wir uns und ich wanderte weiter in Richtung Norden. Am späten Nachmittag erreichte ich eine Straße, die mein nächster Wegweiser war.
An diesem Tag kam ich noch bis zum Johnston Lake. Hier traf ich ein junges Paar aus Edmonton. Sie boten mir an, mich den letzten Kilometer in ihrem Truck mitzunehmen. Wir lernten uns kennen und hatten ein gemeinsames Abendessen. Es gab Roasted Beef, Spiegeleier, Gemüse und einige Früchte von mir. Wir beschlossen unseren Schlafplatz direkt nebeneinander aufzuschlagen. Danach erzählten wir uns einige Geschichten am Lagerfeuer und sangen Lieder. Berauscht von solcher Freundlichkeit, wollte ich mich dankbar zeigen. Der Plan war, ein nächtliches Fotoshooting am See unter Sternen zu machen.
Ich stehe mit großem Ausfallschritt auf einem kleinen Hügel, auf dem man ein fast schon unreales Panorama über dem Two Jack bis hin zum Mount Rundle genießen kann. 50 Meter vor mir das Paar. Um die Sterne in der Nacht perfekt einfangen zu können, muss man eine sogenannte Langzeitbelichtung verwenden. Eine Aufnahme wie diese hält über ca. 20 Sekunden an. In dieser Zeit ist es besonders wichtig, dass sich die beiden absolut still verhalten, damit sie nicht durch ihre Bewegungen unscharf werden.
Ich bin noch nicht ganz mit der Positionierung glücklich und schlage den beiden vor, näher ans Ufer des Sees zu gehen. Nur mit einer Stirnlampe ausgerüstet, bewegen wir uns langsam und unserer Schritte bedacht hinunter zum See, um das perfekte Bild einzufangen. Kurz bevor wir das Wasser erreichen, hören wir seltsame Geräusche: Zuerst leises Wassergeplätscher, wie von einem kleinen Wasserfall. Doch trotzdem anders. Dazwischen waren oft größere Pausen und manchmal verstummte es komplett. Es musste also etwas Lebendiges sein, vielleicht etwas Großes. Wir machen Halt. Wir lauschten. Nach wenigen Sekunden bekommen wir einen weiteren Beweis für unsere Vermutung. Ein tiefes Grummeln in der Ferne und ein Klappern wie von einem gewaltigen Kiefer. Erneut Schläge ins Wasser. Es musste ein Tier sein. Doch welches? Es hört sich auf jeden Fall größer an, als wir es zuerst angenommen haben. Ich bekomme eine Gänsehaut am ganzen Körper. Ich wage nicht daran zu denken, was sich da unmittelbar vor uns im Dunkeln bewegt. Offensichtlich macht es nicht kehrt, sondern schiebt sich geradewegs in unsere Richtung. Ich spüre, wie es den beiden hinter mir ähnlich ergeht. Niemand riskiert eine falsche Bewegung. Obwohl mein Herz heftig gegen meine Brust klopft weiß ich, wir müssen einen Entschluss fassen. Stehen bleiben und abwarten oder die Flucht ergreifen? Jetzt heißt es, kühlen Kopf bewahren – was in Anbetracht der lauter werdenden Schnaub- und Tretgeräusche fast nicht machbar ist. Ich flüstere den anderen beiden zu, sich leise in Richtung Hang zu bewegen. Meine Stirnlampe, unsere einzige Lichtquelle, lasse ich mit Blick zum Two Jack gerichtet. Noch war nichts zu sehen. Komplett überfordert aber dennoch ruhig, steigen wir langsam rückwärtsgehend den Hügel hinauf. Unser Verfolger ist uns dicht auf den Fersen. Plötzlich offenbart der Strahl meiner Stirnlampe meine schlimmste Befürchtung. Ein Bär. Keine 10 Meter vor uns. Das Licht reflektiert in seinen wilden Augen. Ich wäre am liebsten gerannt. Doch jede stürmische Aktion hätte ihn sicherlich noch mehr angelockt. Bei solch einer Begegnung sollte man hektische Bewegungen, vor allem bei Dunkelheit und mit Taschenlampe dringend vermeiden. Mit nichts weiter bewaffnet, als meinem Stativ und der Kamera drängen wir uns weiter zurück bis wir auf der Straße Richtung Camp angelangt sind. Der Bär folgt uns nach wie vor und der Abstand zwischen uns und ihm wurde beunruhigend geringer. Wir versuchen unsere Schritte zu beschleunigen und kommen nicht nur durch das warme Klima unfreiwillig ins Schwitzen. Gerade als ich denke, wir müssen unseren Plan ändern (was sicherlich und folgenschwer in Schnell-weg-Rennen ausgeartet wäre), lässt uns der Bär alleine auf der Straße zurück. Anscheinend hat er gerade keinen Hunger auf junge Erwachsene oder etwas anderes hat sein Interesse geweckt. Sehr erleichtert und immer noch voller Adrenalin, kommen wir im Camp an, legen uns erstmal auf den Erdboden und fangen an zu lachen. Was für ein Tag! Mir fällt nach solchen Stunden immer ein, was an einem einzigen Tag alles machbar ist! Wenn man sich ein Ziel setzt und dieses erreichen will, sollte man nicht zögern und es motiviert angehen.
Wie zum Beispiel unser Ziel in Norwegen. Hier war Ich zusammen mit Johannes Hinterseer unterwegs. Profi-Triathlet aus Schliersee. Zusammen als eingespieltes Team in diesem unfassbar faszinierenden Land. Ein Roadtrip, den ich nie vergessen werde! Nach drei Tagen Fahrt und ersten sportlichen Geschichten startet unser Projekt „Two Days at Preikestolen“. Wir brachen also wie geplant gegen 07:00 Uhr zu einem 25 mal 25 Meter großen Felsplateaus auf. Dieses liegt in 604 Metern Höhe. Dahinter erstreckt sich der einzigartige Lysefjord.
Schon beim Aufstieg ist es sehr windig und kalt – nichts für falsche Kleidung. Wir merken sofort, dass unser Projekt härter wird, als erhofft. Aber genau das ist ja die Herausforderung! Nach ca. 3 Stunden mühsamen Aufstieges mit jeweils 15 Kilogramm Gepäck, wandern wir auf einem spektakulären Pfad weiter. Nichts für schwache Nerven! Rechts steile, glatte Mauern, die geradewegs nach oben in die Höhe ragten. Mittig ca. 1 – 2 Meter felsiger Stein, gerade breit genug um darauf zu gehen. Gleich links daneben geht es steil nach unten – ein tiefer Abgrund über mehrere hundert Meter. An einem normalen Tag bei Sonnenschein wäre das vermutlich kaum ein Problem. Wir jedoch befinden uns gerade in einer für uns fast schon typischen Situation: Es wird immer dunkler und Schatten und Abgrund sind kaum noch auseinander zu halten. Eine extreme Herausforderung, denn es gibt keine Sicherung und dazu zerrt auch noch der starke Wind an uns. Es ist schwierig, das Gleichgewicht zu halten. Dieser Abschnitt war zwar nur 300 Meter lang, es kommt einem jedoch 10mal so lang vor.
Kaum erkennbar kam endlich unser geplanter Übernachtungsspot zum Vorschein. Wir hatten ein 3 Personen Zelt dabei, in dem wir die Nacht gemeinsam überstehen. Hoffentlich gut überstehen! Das Positive: Unser Zelt ist mit Polyurethan beschichtet. Somit ist es wasserdicht und gleichzeitig atmungsaktiv. Es beschützt uns vor dem ganzen Staub und den kleinen Steinchen, die durchgehend vom Berg rieseln. Die schlechte Nachricht: Durch den orkanartigen Wind besteht die Gefahr, trotz aller modernen Funktionen einfach von den Klippen geschleudert zu werden.
Unser Equipment bestand außerdem aus einer aufblasbaren ISO-Matte, damit die Kälte der Nacht nicht direkt über den Boden in den Körper eindringt und einem Schlafsack, der für eisige Temperaturen bis -27 Grad konzipiert wurde. Wir aßen noch unsere Mahlzeit von Trek´n Eat, um unsere Energiespeicher für den nächsten Tag aufzufüllen. Heute gab es die „Reispfanne Balkan Art“, mein absolutes Lieblingsgericht! Um 23:00 Uhr legten wir uns schlafen. Wir hofften auf besseres Wetter, damit wir perfekte Fotoqualität liefern können. Ich machte mir im Zelt noch einige Notizen zu unserem Vorhaben, und hielt meinen Tagesablauf fest. Dank meiner Unterstützer und Sponsoren kann ich meine geplanten Projekte in Angriff nehmen. Sie liefern mir nicht nur entscheidendes Equipment, sondern geben mir zusätzliche Energie und Optimismus. Die Nacht war nicht sonderlich ruhig. Durch den starken Wind wurde das Zelt fast durchgehend aus der Verankerung gezogen. Auf dem sehr felsigen Untergrund fanden wir nichts, woran wir unsere Haken richtig verankern konnten. Zusätzlich riss ein Karabiner ein kleines Loch in die äußere Plane, wodurch Sie nicht mehr wasserdicht war.
Sie schleuderte Stunde um Stunde mehr an die Steinwand und weckte uns immer öfter. Mein Handy zeigte 06:56, kurz bevor der Wecker klingeln sollte. Mühsam machte ich die Augen komplett auf und stieg aus dem Zelt – beinahe in voller Montur ausgerüstet, so wie ich auch schon im Schlafsack die Nacht verbracht hatte. Draußen war es etwas angenehmer. Zwar kalt, aber nicht mehr so dröhnend. Der Wind war viel sanfter. Man kann zwar nicht von einer leichten schönen Brise im Gesicht sprechen, jedoch tat es gut, den Wind auf der Haut zu spüren. Wir bereiteten alles für unser Foto Shooting vor, wartend auf den Sonnenaufgang. Dazu gingen wir ein Stück weiter nach oben, über unseren Schlafplatz. Hier hatten wir eine grandiose Perspektive, eine perfekte Fotokulisse.
Was sich die nächsten paar Stunden ereignet, ist für mich das schönste auf der Erde: Berge, die golden leuchten, einen gigantischen Fjord direkt unter uns und einen Sonnenaufgang von absoluter Schönheit. Sofort hört es auf zu winden, als sei dies eine Art magischer Moment. Ein Moment, der durch nichts auf der Welt zerstört werden möchte. Unvergesslich prägt er sich in mein Gedächtnis ein. Als die Sonne endlich über die Berggipfel leuchtet, erwärmt sich sofort mein Gesicht und lässt mich grinsen. Mein kompletter Körper kribbelt. Ich bin der glücklichste Mensch. Das ist das Entscheidende, warum ich Kilometer weit reise, eiskalte Nächte überstehe und bis ans Ende meiner Kraft über sämtliche Gipfel wandern möchte. Das Leben ist einfach zu schön und zu kurz, um es gegen Geld einzutauschen. Also lieber raus, und so viel erleben, wie möglich! Jack Scorner
Wer nach diesem Artikel kein Fernweh bekommt, dem können wir dann auch nicht mehr helfen…
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